Die Story von TIM IM LANDE DER SOWJETS von anno 1929 ist bekannt. Tim, der Reporter, reist mit seinem Hund Struppi für seine Zeitung nach Osten, um aufzudecken, was der Machthaber in Moskau im Verborgenen halten will. Viele Leute im Ausland möchten lieber der staatlichen Propaganda glauben, wonach dort in der Ferne alles in bester Ordnung ist. Tim soll zeigen, dass hinter der Fassade das Grauen lauert.
Den Mächtigen gefällt selten, wenn Schreiberlinge Licht in ihr Dunkel bringen und aufzeigen, was da alles schief läuft. Also denken sie sich vielerlei Strafen aus und erklären Material, das Reportern zugespielt werden könnte, für geheim. Bei Strafandrohung – streng geheim! Wird ein kleiner Journalist, der nicht mundtot zu machen ist, sich davon abschrecken lassen?
Tim ist nicht käuflich und scheint es geradezu darauf anzulegen für seine Story in Schwierigkeiten zu geraten. In Moskau tanzen alle Menschen nach der Pfeife des Potentaten oder werden zum Schweigen gebracht. In seinem Machtbereich hat er Andersdenkende längst eingeschüchtert, andernfalls verschwinden lassen. Akribisch schreibt Tim alles auf, fotografiert und sendet das Material seinen Lesern beim LE PETIT VINGTIEME.
Es gibt Reporter, die daran glauben, dass die Öffentlichkeit wirklich wissen möchte, was da vorgeht. Das die Menschheit die Wahrheit hören will und ein Anrecht darauf hätte. Selbst wenn Verbrechen in Verantwortung eines einflussreichen Präsidenten von dessen Gefolgsleuten in fernen Ländern begangen werden. Muss die freie Welt hinsehen und Verstöße gegen Geheimhaltung zulassen? Darf jedes Unrecht publik werden, um so eine Bestrafung von Tätern zu ermöglichen?
Tim wird zwar hart angegangen, kommt jedoch immer wieder mit dem Leben davon. Doch heutzutage kämen weitere Angriffe hinzu, da Staaten rufschädigende Vorwürfe fingieren. Sie diskreditieren Einzelpersonen und -Organisationen und setzen sie unter Druck.
Mitte der 1970er nimmt TIM UND DIE PICAROS diesen Gedanken übrigens auf und zeigt ein Duell mit damaligen Medien. Doch das ist nichts, gegen das, was Trollfabriken heute für Shitstorms entfalten können. Tims Ruf würde in diesen Tagen gnadenlos mit grotesken Vorwürfen in den Dreck gezogen. Der kleine Reporter wäre erledigt, noch bevor sein Bericht veröffentlicht werden könnte.
Was wird dem Präsidenten jenes Landes da von einem Journalisten vorgeworfen? Kriegsverbrechen? Seine Soldaten hätten Kriegsverbrechen begangen? Kann das sein? In einem fernen Landstrich, den die Menschen doch kaum kennen.
So nicht! Der Staat wird gnadenlos zurückschlagen: Dieser Reporter habe die Vorwürfe alle erfunden! Wie, es gibt Bilder? Nun dann hat er schlicht gegen Geheimhaltung verstoßen. Der Journalist selbst sei eindeutig ein Gesetzesbrecher und daher aus jedem sicheren Drittstaat sofort auszuliefern. So könnte der Präsident den Verbrecher vor Gericht stellen und seiner Strafe zuführen.
Welche Seite möchten wir unterstützen? Den Überbringer der schlechten Nachricht ausliefern? Weil er etwas aufgedeckt hat, das schändlich ist? Wäre das Gerechtigkeit? Auf dieser Welt ist nichts perfekt – wollen wir zusehen, wie alle, die den Mund aufmachen könnten, aus Angst schweigen?
Würden Tim und Struppi ausgeliefert und im Gefängnis landen?