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In den Wolken der Fantasie – Teil III: Tim und Struppi’s Reisen in der Ära der Luftschiffe

Als Tim und Struppi begannen die Welt zu bereisen, erreichte der zivile Luftschiffbau seinen Höhepunkt. Tim fuhr und flog alle technischen Gerätschaften, doch einem Luftschiff ist er nicht ein Mal begegnet. Verpasste Chancen für legendäre Begegnungen. Eine kleine Spekulation … Teil III (zu Teil I, zu Teil II)

Tintin in americaZu Beginn der Geschichte »Tim in Amerika« (1931–1932) erreicht der Reporter die amerikanische Metropole Chicago per Zug. Es wird nie gezeigt, wie er in die Neue Welt kam. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er an Bord eines Schiffes gegangen war, in Antwerpen vielleicht. Damit erreichte er in etwas über einer Woche New York. Seine Reise kann jedoch auch deutlich schneller und spektakulärer gewesen sein.

1931 war es zwar nicht mehr neu, dass Luftschiffe in der Marinebasis Lakehurst, New Jersey, landeten, aber außergewöhnlich genug, die Massen anzuziehen war es allemal: Menschen strömten auf das offene Feld, sie reckten die Hälse, ihre Hüte flogen im Wind fast davon.
Sie alle warteten auf jenen Punkt am Horizont, der dann rasch größer wurde, sich schnell näherte und gekonnt über dem Gelände zum Halt kam: Der GRAF ZEPPELIN, 237 Meter lang, war 1928 erstmals hier gelandet und hatte zwischenzeitlich eine Weltumrundung hinter sich.
Winkend steht Tim an einem der Fenster im großen Aufenthaltsraum der Gondel. Struppi an seiner Seite hält neugierig Ausschau. Die Marinesoldaten ziehen das Luftschiff zu Boden, so dass die Passagiere aussteigen können. Mit Sack und Pack zieht der Reporter los. Auf nach Chicago!

Tim und Struppi - Graf Zeppelin, Lakehurst

Auf der Basis Lakehurst hatte man viel Übung mit derartigen Starr-Luftschiffen, etwa der hier gebauten SHENANDOAH (Erstflug: 1923, Abgestürzt: 1925). Ebenso der in Friedrichshafen gefertigten LOS ANGELES, die 1924 über den Atlantik geflogen war und erst 1939 abgewrackt wurde.

Nach früheren Planungen hätte der GRAF ZEPPELIN, der möglicherweise Tim und Struppi binnen dreier Tage bis Amerika trug, zusätzlich Chicago ansteuern sollen. Perfekt für den Einstieg zu »Tim in Amerika«. Doch leider wurde das nie Realität.
Die tatsächliche Landung in Lakehurst lag schlussendlich zu weit ab. Diese Ankunft war für die Geschichte nicht wichtig genug, um von Hergé aufgezeichnet zu werden. Welch ein Jammer!

Tintin en ameriqueWenig später, tief im Landesinneren, jagt Tim dem Gangsterboss Bobby Smiles hinterher. Wie spektakulär wäre eine Verfolgung an Bord eines Luftschiffes gewesen! Der ZMC-2 (1929-41), das einzige erfolgreiche Ganzmetall-Luftschiff, hätte sich vielleicht geeignet. Anderseits … Die aus Duraluminium bestehende »Tin Bubble« (Blechblase) erwies sich letztlich als schwierig zu steuern und heizte sich zu sehr auf, was die Tragkraft beeinträchtigte.

Einen phänomenalen Auftritt hätte Tim an Bord der 1931 in Dienst gestellten AKRON haben können. Dieses von GOODYEAR und ZEPPELIN gebaute Träger-Luftschiff hatte einen Hangar für kleine Doppeldecker im Bauch, die am Gestänge ein- und ausgeschleust wurden. Man stelle sich vor, bei der wilden Jagd auf Smiles, springt Tim in eines der Flugzeuge und saust mangels Zeit stracks durch die dünne Hülle der AKRON. Sehr zur Überraschung des Gangsters.

Tim und Struppi - AKRON

Doch diese amerikanischen Schiffe gehörten der Navy – Bobby Smiles wäre nicht an Bord gekommen, um zu flüchten. Und Tim nicht zur Verfolgung.
So platzt über Amerika ein weiterer Luftschiff-Traum.


Cigars of the pharaoh Das Abenteuer »Die Zigarren des Pharaos« (1932–1934) beginnt an Bord eines Dampfers auf Mittelmeer-Kreuzfahrt. Das hätte Tim weitaus luxuriöser haben können, doch erstens legte der Reporter darauf nie großen Wert und zweitens stand der britische Luftschiffbau bedauerlicherweise unter keinem glücklichen Stern.
Wäre alles gut verlaufen, hätte sein fliegendes Hotel namens »R101« in Cardington abgehoben. Adria und Ägäis überquert. Entlang der Levanteküste eingedreht. Elegant nahe Kairo vom Himmel herab geschwebt. Der Zwischenstation nach Indien.

Tim und Struppi - An Bord der R101

Der Salon an Bord war groß, bot bequeme Korbstühle und Tim hätte an einem Tische Platz genommen und Tee geschlürft. Struppi seinerseits beschnuppert neugierig das mondäne Publikum.
Für seine Zeit war die Reise von märchenhaftem Luxus.
Tim und Struppi - Die Zigarren des Pharao Flugzeug Die britischen Versuchsluftschiffe R100 und R101 sollten Großbritannien mit seinen fernen Kolonien verbinden. Unglücklicherweise handelte es sich um konkurrierende Entwürfe mit jeweils eigenen Problemen, da die Luftschiffbauer ihre Erkenntnisse nicht teilten.

1930 landete »R100« nach 78 Stunden Flug in Kanada. Ein Traum! Im Anschluss an die umjubelte Rückkehr wurde das andere Schiff fertig für seine Reise gemacht.
Tragischerweise verunglückte die R101 zu Beginn ihres ersten Langstreckenfluges bei schlechtem Wetter über Frankreich. 48 Menschen starben. Daraufhin wurde R100 abgewrackt und alle Luftschiffpläne aufgegeben.

Tim und Struppi betrachten die R101
Wäre das Unternehmen gelungen, hätte Tim den Ankerplatz in Kairo angesteuert – jenen Ort, an dem die britischen Behörden eigens eine Anlegestelle errichteten, als Tor zum Osten.

Britische (wie amerikanische) Starr-Luftschiffe sollten am hohen Ankermast anlegen und nicht immer bis zum Boden oder gar in eine Halle gezogen werden, wie Zeppelin es praktizierte. Für Ein- und Ausstieg konnte man durch eine Luke am Bug klettern. Das Schiff tanzte bei Seitenwind zwar um den Mast, aber der wechselnde Auftrieb, je nach Lufttemperatur, brachte Schwierigkeiten. Dazu kamen Befestigungsprobleme, so dass die LOS ANGELES anno 1927 sogar einen Kopfstand vollführte – glücklicherweise nicht mit Zivilisten an Bord.

Cigars of the pharaohÄhnlich wie auf dem Dampfer ISIS konnte der Professor auf dem Luftschiff seinem Papyrus nachjagen. Und wohl auch Rastapopoulos treffen. Ja, man hätte Tim als vermeintlichen Schmuggler sicherlich irgendwo weggesperrt. Der Reporter wäre freilich von dort entkommen, um das Abenteuer um Waffen- und Rauschgiftschmuggler ebensogut zu erleben.
Das Schicksal hat es anders gewollt.


l ile noire Ein großer oder kleiner silberner Riese hätte auch der Begebenheit rund um »Die schwarze Insel« (1934–1935) gut zu Gesicht gestanden.
Die erste Atlantiküberquerung und Rückkehr eines Luftfahrzeugs war im Juli 1919 dem in England gestarteten Starrluftschiff R34 gelungen. Eine großartige Leistung, doch wie oben angemerkt war die offizielle britische Luftschifffahrt zur Zeit von Tims Abenteuer in England bereits beendet.

Dennoch: die Falschmünzer in Tims Abenteuer hätten ihre Geldsäcke von einem eigenen kleinen Luftschiff anstatt von knatternden Flugzeugen abwerfen könne! Das Schiff konnte niedriger fliegen und bei günstigen Bedingungen direkt über der Stelle schweben. Nahezu ideal für die Unternehmung. Tagsüber erregt es allerdings noch mehr Aufsehen als eine Propellermaschine und wäre wohl kaum unbemerkt zur schwarzen Insel geschwebt.

Tim und Struppi jagen im Flugzeug einen Blimp der Falschmünzer
Bei der Verfolgung mittels Flugzeug hätte Tim von seiner Maschine aus auf den Rücken des Luftschiffes springen können. Dort »spazierten« allenfalls erfahrene Luftschiffer zum Flicken der Hülle. Sich am Sicherungsseil voran hangeln – Genau richtig für den rasenden Reporter! Aber ein solches Manöver wäre womöglich doch etwas zu waghalsig gewesen.

Tim und Struppi auf dem Rücken eines Luftschiffes

Wie ist es umgekehrt? Tim verfolgt das Flugzeug der beiden aus dem »Ye White Hart« fliehenden Gangster?
Die schwarze Insel - FlugzeugZur damaligen Zeit konnte ein ordentlich motorisiertes kleines Prall-Luftschiff einem Kleinflugzeug durchaus folgen. Was wenn die Marine ein altes Stück auf dem Flugfeld des »Halchester Flying Club« vorführen wollte, das Tim dann kapert? Oder ein verrückter Erfinder möchte seinen Entwurf testen und lädt den Reporter begeistert zur Mitfahrt ein? Schrullige Gelehrte trifft Tim allenthalben.

The black islandNun, ja. Für die Umarbeitung und Modernisierung der Geschichte in den 1960er Jahren eigneten sich Doppeldecker natürlich besser. Luftschiffe hätten noch stärker aus der Zeit gefallen gewirkt, wie die Schlüsseljagd der wackeren Feuerwehrleute.

 

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Tim und Struppi in einer Kabine des GRAF ZEPPELINUnd damit kommen wir ans Ende dieses Fluges …
Tim und Struppi haben wohl nie das sanfte Schweben an Bord eines Luftschiffes erlebt. Der gewaltige Rumpf der großen silbernen Zigarren warf nie seinen Schatten über ein Panel. Nun bleibt eine kleine Leerstelle beim Blick auf Tims Welt, in der Autos oder Flugzeuge doch so akkurat seine Zeit widerspiegeln. Es hat nicht sollen sein. Die Ära der großen Luftschiffe war zu kurz und ob sie jemals wieder kommt, steht in den Sternen.

Aktueller Anlass: Drei junge Detektive

Ein Teil der neunten Episode der 9. Staffel von FUTURAMA parodiert Tim und Struppi. Die Show rockt!

The Futurama Mystery Liberry - Drei junge Detektive 9/9
Die Erstausstrahlung von »Drei junge Detektive« (The Futurama Mystery Liberry) erfolgte am 23. September 2024.
Futurama / Tintin - Le mystere de la manivelle d orAuf IMDB gibts einige Bilder dazu!

Fry als Tim, Zoidberg als Struppi, Leela al Haddock, Professor Farnsworth als Bienlein sowie Hermes, Bender und Amy als Wiedergänger der New Wave-Band »Thompson Twins«, also die Schultzes.

(»Le mystère de la manivelle d’or« = »Das Geheimnis der goldenen Kurbel« erinnert an den ersten Tintin-Realfilm »Das Geheimnis um das goldene Vlies«)

Schnittkunst mit klarer Linie

Einige der schönsten Momente als Tim-und-Struppi-Sammler oder -Fan ist immer, wenn man völlig unverhofft auf das Objekt der Begierde trifft. Noch dazu in ganz eigener, neuer Anordnung.
(Septembersonne auf der Scheibe – nicht alle Fotos sind perfekt, sorry)

Tim und Struppi - Rakete / Kindheit

Im Anschluss an ein gelungenes Mittagessen in Schwabing spazierten wir ohne Ziel einige Meter die nächste Straße rauf. Und dann kamen wir an diesem Schaufenster vorbei. Wenn sonst nichts, zündet immer die große rot/weiße Rakete. Die fällt ins Auge. Das ist Tim und Struppi, oder was? Eine Beschriftung: »Ich will meine Kindheit zurück«.

Tintin Bijoux (Ausschnitt)

Keine Frage, da muss man rein. Es ist die Werkstatt des freischaffenden Künstlers Aurelien Reichert. Hier findet man große Werke neben Little Nemo sowie – Grund des Eintretens – viel TINTIN und jede Menge Comic-Schnipsel – im Glas! Denn der Künstler nähert sich den Comicwelten seiner Kindheit mit scharfen Messern und erschafft so nie gesehene Einblicke in die Alben.

Tintin Coke en stock  Tintin Temple Soleil

Gerade sitzt Reichert an seinem neuen Werk und seziert »OBJECTIF LUNE«. Durch das Cover hindurch arbeitet er sich in Tintin diversesseinen »Panels« vor zu unterschiedlichen Seiten. Am Ende vermischen sich verschiedenste Phasen des Abenteuers zu einer Collage, die nicht aus Teilen des Buches besteht, sondern in das Buch eingeschnitten ist. Eine faszinierende Art, sich Tim und Struppi anzunähern. Manchmal bleiben nur abstrakte Schemen, die zum Raten einladen. Jedes Mal aber entsteht ein absolutes Einzelstück.

Tintin Cigars Pharaon (Ausschnitt)Gerne erzählt der Künstler von seinem Werdegang und zeigt die Ausbeute, die nach vielen Stunden mühsamen Schaffens entstanden ist. Auch Atlanten hat er schon auf diese Weise bearbeitet. Letzten Endes aber kreiert er selbst mit jedem Buch eigenwillige Länder, Kontinente und Welten. An der Wand stapeln sich abgegriffene TINTIN-Bände. Diese Kunst braucht Material, an dem sie sich abarbeiten kann. Nachschub ist somit garantiert, für weitere einzigartige Kompositionen.
Tintin abstrakt (Ausschnitt)Vielen Dank für diese Einblicke.

In den Wolken der Fantasie – Teil II: Tim und Struppi’s Reisen in der Ära der Luftschiffe

Als Tim und Struppi begannen die Welt zu bereisen, erreichte der zivile Luftschiffbau seinen Höhepunkt. Tim fuhr und flog alle technischen Gerätschaften, doch einem Luftschiff ist er nicht einmal begegnet. Verpasste Chancen für legendäre Begegnungen. Eine kleine Spekulation … Teil II (zu Teil I)

DER ARUMBAYA FETISCH (1935-37): Welch eine großartige Bildikone wäre das geworden: Tim und Struppi am Fenster des GRAF ZEPPELIN, wie sie über Rio de Janeiro fliegen und auf den 1931 errichteten CRISTO REDENTOR hinüber schauen, die Christusstatue mit ausgebreiteten Armen. Der nach seinem Schöpfer benannte Zeppelin flog in den 1930er Jahren regelmäßig zwischen Südamerika und Europa.

Tim winkt Cristo Redentor
Tim auf dem Promenadendeck des Flugschiffes HINDENBURG, das die Strecke ab 1936 bediente

Zudem hätte so eine Szene dem brasilianischen Luftfahrtpionier Santos Dumont Reverenz erwiesen, der um 1900 in Paris Aufsehen erregte. Tim und Struppi am Eiffelturm - Santos Dumont Nr.6Zu jener Zeit, als die Zeppeline gerade erst schweben lernten, glitt er mit seinen Prall-Luftschiffen wagemutig über die Dächer der Stadt. Er sorgte bei den Einwohnern für Furore mit seinen kleinen Konstruktionen, die er in den Straßen parkte, um Dinieren zu gehen. Hätte ein solches Ein-Personen-Luftschiff gepaart mit Professor Bienleins Erfindergeist nicht doch was werden können? Santos Dumont umkreiste 1901 unter dem Jubel der Massen mit seiner »Nr. 6« als Erster den Eiffelturm. Welch ein Triumph! Freud und Leid lagen allerdings nahe beieinander. Sein Landsmann Maranhão verunglückte 1902 zusammen mit seinem Mechaniker über Paris, als ihr Luftschiff PAX kurz nach dem Start explodierte.
Die Südamerika-Fahrt mit dem GRAF ZEPPELIN in den 1930er Jahren war freilich ein exklusives Vergnügen für Gutbetuchte. Die Redaktion des LE PETITE VINGTIEME hätte seinem Reporter eine solche Spesenrechnung vermutlich um die Ohren geschlagen.
Dennoch: In Rio wartete der Anschlussflug Richtung San Theodoros, um Tim lange vor dem Schiff mit seinen Gegnern nach Las Dopicos zu bringen. Jedoch könnte die Handlung um Rodrigo Tortilla sowie seinen beiden Mördern dann wohl nicht gleichermaßen stattfinden. So schön dieses Rio-Bild wäre, es hilft nichts, Tim muss an Bord des Schiffes gehen. Ach, es hat nicht sollen sein.

Tim und Struppi 25 FlugbootKÖNIG OTTOKARS ZEPTER (1938–39): Die Reise nach Syldavien per Flugzeug kann zu jener Zeit nicht Non-stop ablaufen. Für ein Luftschiff wär es dagegen problemlos möglich gewesen. Wir müssen wohl annehmen, dass die Linie Brüssel – Klow damals zu wenig frequentiert war, als dass sich das gerechnet hätte.
Das Know-how war in Belgien verfügbar, denn auch dort hatten Luftfahrtpioniere die Leichter-als-Luft-Technik vorangebracht. Man denke an die BELGIQUE I, II und III sowie VILLE DE BRUXELLES, die alle etwa zwischen 1909 und 1922 flogen. Bedauerlicherweise wurden danach keine weiteren Luftschiffe mehr im Lande gebaut. So blieb Tim, Struppi und Professor Janus gar nichts anderes übrig, als die Reise im Flugzeug anzutreten.
Ein Zwischenstopp am Flughafen Frankfurt ist notwendig. Damals war der Flughafen von den Machthabern in Deutschland zum »zentralen Luft-Drehkreuz« erkoren worden. Daher mussten die weltbekannten Zeppeline von Friedrichshafen am Bodensee nach Rhein-Main umziehen. Riesige Luftschiff-Hallen entstanden. Man möchte meinen, da hätte etwas wachsen können, jedoch hatten neben den so erfolgreichen Zeppelinen andere Hersteller wie »Parseval« oder »Schütte-Lanz« in Deutschland schon Anfang der 1920er Jahre aufgegeben und weitere Konkurrenz war nicht in Sicht.
Luftreisende konnten die imposanten Hallen der Luftschiffe beim Anflug sehen. Schade, dass sie bei keinem der wenigen KÖNIG-OTTOKAR-Panels auch nur im Hintergrund stehen. Der Absturz des HINDENBURG in Lakehurst lag anno 1938 ein Jahr zurück. Doch selbst da konnte man mit etwas Glück Start oder Landung des nahezu baugleichen GRAF ZEPPELIN II erleben.

Tim, Struppi, Prof. Janus in Frankfurt

Kaum hatten Tim und der Professor das Flugzeug verlassen, steigt der Zep in die Lüfte. Sie sehen ihm hinterher, lauschen dem Klang seiner Motoren, während sich der Riese am Himmel immer weiter entfernt.
Freilich ein wehmütiger Anblick, denn ohne Helium als Traggas blieben diese Schiffe nur Geister der Vergangenheit, die keinerlei Passagiere zu neuen Horizonten tragen durften.

Tim und Struppi in einer Kabine des GRAF ZEPPELIN
Tim und Struppi in einer Kabine des GRAF ZEPPELIN

TIM IM KONGO (1930–31): Hätte Tim mit einem Luftschiff in den Kongo reisen können? Das scheint gar nicht so weit hergeholt. Frankreich hielt damals große Teile Westafrikas bis an die Grenzen der belgischen Kolonie besetzt. Zudem flogen in Frankreich schon früh Luftschiffe, z.B. die LA FRANCE 1884 mit Elektromotor! Oder das Starrluftschiff LE SPIESS von 1913.
Zudem bauten die Brüder Lebaudy, mit ihrer Zuckerraffinerie reich geworden, zwischen 1902 und 1914 zahlreiche halbstarre Luftschiffe, die in ganz Europa geschätzt wurden, u.a. PATRIE (1906), LA RÉPUBLIQUE (1908), MORNING POST (1910).
Was für ein Bild hätte sich den Menschen die den Reporter erwarteten damals geboten?
Sie standen am Ufer des mächtigen Kongo, umgeben von der üppigen Pracht des Dschungels. Die Luft schwer von Feuchtigkeit und voller Geräusche des Urwaldes. Darüber legt sich immer lauter werdend das Dröhnen von Motoren. Das Geräusch bringt die Lebewesen des unendlichen Pflanzenmeeres kurzzeitig zum Verstummen.
Ein schlankes Luftschiff dreht in den Wind ein, zieht über die staunenden Beobachter, seine imposante Gestalt wirft Schatten auf den Landeplatz. Tim am Fenster winkt den Wartenden und die jubeln, während sie das Schiff an Seilen zur Landung herabziehen.
Jedoch: in den Süden Afrikas stieß damals kein Luftschiff aus Europa vor. Die Sahara mit ihren tags heißen und nachts kalten Luftmassen erschwerte den Leichter-als-Luft-Schiffen das überqueren. Am nächsten kam vielleicht L59, den Deutschland 1917 entsandte, um seine Kolonial-Truppen zu unterstützen, aber noch über dem Sudan zurückbeorderte.

Tim im Kongo

Bedauerlicherweise wurden die meisten der zuletzt genannten Luftschiffe nicht zivil genutzt. Doch war im Frankreich des Jahres 1923 eine gewisse Begeisterung für die Technik zu spüren, als die DIXMUDE eine Rekordfahrt von fünf Tagen und 7200 Kilometern, abschloss, die auch über die Sahara führte.
Tim im Kongo - DoppeldeckerIn jenen Monaten war das Schiff viel unterwegs, flog u.a. nach Algier und Tunis und umrundete neben Korsika die italienische Insel Sardinien. Doch geriet sie kurz vor Weihnachten in einen Gewittersturm und stürzte mit 50 Menschen an Bord ab.
Die MÉDITERRANÉE, die auf der Marinebasis bei Toulon lag, und einige erfolgreiche Fahrten durchgeführt hatte, wurde daraufhin stillgelegt, die Ära der Luftschiffe in Frankreich beendet.

DIE KRABBE MIT DEN GOLDENEN SCHEREN (1940-41): Dennoch hätten Tim, Struppi und Kapitän Haddock, als sie nach der Flucht von der Karabouodjan durch den Wüstensand stapften durch ein geradezu phantastisches Fluggerät gerettet werden können.
Umhüllt von der Hitze der Westsahara stehen die beiden im endlosen Sand. Sie schützen ihre Augen mit Händen vor dem gleißenden Licht der Sonne und starren in Richtung des Luftfahrzeuges, dass lärmend auf sie zukommt. Es ist ein Hélicostat! Ein Hybrid aus Prall-Luftschiff und Helikopter.

Tim, Struppi, Haddock und der Helicostat
Wie atemberaubend der kühne Pilot die unendliche Dünenlandschaft finden mag, den Abenteurern im Wüstensand pocht beim Anblick des Retters das Herz. Sie haben keine Sinne für ihre Umgebung mehr, ersticken in der Hitze fast vor Freude. Ihre Reise ist noch nicht zu Ende!
Der Ingenieur und Helikopter-Pionier Étienne Oehmichen hob in den 1920er Jahren mit seinen Designs mehrfach ab. Anfang der 1930er stellte er den Hélicostat vor, der sich gut manövrieren ließ. Ob die beiden in der Sahara Gestrandeten ihren Augen trauen mochten, wenn ein Retter sich damit genähert hätte?

Bedauerlicherweise gab es wieder nur von verpassten Gelegenheiten zu berichten, anstatt mit einem Luftschiff davonzuschweben. Bald mehr.

11 Tim und Struppi Freunde müsst ihr sein

11 Freunde - Flug S04 nach VerlImmer wieder schön, wenn sich jemand von Tim und Struppi inspirieren lässt.

„Flug S04 nach Verl“ – Steigen die Schalker ab in die dritte Liga?

Die Februar-Ausgabe von 11 FREUNDE ist zwar schon eine Weile her und Schalke mittlerweile gottlob gerettet. Aber Freude macht das Cover trotzdem noch.

 

11 Freunde - Reiseziel SchaleEbenso natürlich das 2018er Sonderheft „Reiseziel Schale“ das mir damals allerdings schneller aufgefallen war.

Egal.

Muss man haben, wenn es sonst schon nichts aufregend Neues gibt, oder?

Tim und Struppi: Steine und Trikots

Wandersteine sind eine schöne Idee, insbesondere mit Tim und Struppi als Motiv. Die „Kleine Zeitung“ berichtet gerade darüber. Die Idee, Steine reisen zu lassen, sollte man unbedingt unterstützen!

Kleine Zeitung Stoaroas

Die Belgische Nationalmannschaft hat sich für die Europameisterschaft 2024 etwas besonderes einfallen lassen und tritt in den typischen Tim-Farben auf: blaues Shirt, braune Hose (siehe auch X/Twitter).

Grenzecho Trikot der belgischen Nationalmannschaft

 

In den Wolken der Fantasie: Tim und Struppi’s Reisen in der Ära der Luftschiffe

Figurine Polizeiflugzeug 2016 Nr 29567Als Tim und Struppi begannen die Welt zu bereisen, erreichte der zivile Luftschiffbau seinen Höhepunkt. Tim fuhr und flog alle technischen Gerätschaften, doch ein Luftschiff hat er nie gesehen. Verpasste Chancen für legendäre Begegnungen. Eine kleine Spekulation …

Die unvergleichliche Saga von Tim und Struppi begann im Januar 1929. Die Welt war im gesellschaftlichen Umbruch. Getrieben von politischen Unruhen und technologischem Fortschritt. Genau das Richtige für den Reporter und seinen treuer Begleiter.

Tim im Lande der Sowjets - FarbversionAm Vorabend der Weltwirtschaftskrise feierte der Kapitalismus an den Börsen Rekorde. Tims erste Reise, »Tim im Lande der Sowjets«, führte ihn jedoch mitten in den real existierenden Sozialismus.
Die Pioniertage der zivilen Luftfahrt lagen Jahre zurück, doch die Rivalität zwischen Propellermaschinen und Luftschiffen blieb. Die schwebenden Riesen hatten die Nase vorne, ging es um Langstreckenrekorde, spektakuläre Flüge über den Nordpol oder ganze Ozeane und wieder zurück.

Kaum über der Grenze im Sowjetreich begegnete Tim der Eisenbahn und glücklicherweise entkam er ihr, bevor sie ihn überfuhr. Er flüchtete mit einem Motorboot vor schießwütigen Schergen und verunglückte beinahe. Mit unverschämtem Glück kurvte er mit einem Wagen durch den Staub der Landstraßen. Erst zur Hälfte des Albums, durfte der Reporter endlich die Silhouetten der Kremltürme und die Glocken der Basilius-Kathedrale erahnen.

Mashup: Figur und Luftschiff CCCP-6

Dabei hatte man im Land bereits sogenannte Prall-Luftschiffe (modern: »Blimps«) gebaut, sozusagen Gas-Ballone, an deren Gondel man Steuerruder und Propellermotor anbrachte. Unter anderem »Moskowski Chimik-Resinschtschik« (Moskauer Gummi-Chemiker), das anno 1926 von Andrei Tupolew für vier Personen entworfen worden war.
Oder den 63,5 m langen CCCP-B3, der mit 2 x 240 PS Motoren beeindruckende 100 km/h erreichte und von der weltersten Luftschiffkommandantin gelenkt wurde.

In der Abenddämmerung schweben Tim und Sturppi über das Land. Der Motor brummt in monotonem Rhythmus. Endlich werden die Konturen Moskaus sichtbar. Die Sonne taucht die Kuppeln der Kirchen und Türme in goldenes Licht. Passanten deuten zu ihnen herauf, während die Zeit stillzustehen scheint.

Das wäre für Tim eine Brise Modernität gewesen, um den gefährlichen Weg zu überbrücken, die Abenteuerlust des Reporters perfekt ergänzend. Doch in seiner Redaktion wohl nicht gerne gesehen.

Figur aus Set Nr 46905 - Moulinsart Mini 2018Nur kurz verweilten Tim und Struppi in der Großstadt und sicher nicht zum Verschnaufen. Bald waren sie erneut unterwegs, raus aufs Land und sehr schnell mitten in freier Natur, irgendwo am Ural möchte man meinen, wo ein Echo von Sibirien in der frostigen Luft vibrierte. Eine schier endlose Schneewüste.

Titina - Kinofilm
Kinofilm 2022: Die Nordpolfahrt mit der NORGE und Nobiles Hund Titina

Ähnlich weiß, leer und stürmisch mag es am Nordpol gewesen sein. Wenige Jahre vorher, 1926, war das Luftschiff NORGE glorreich über den nördlichsten Punkt der Erde gezogen, 1928 folgte die ITALIA, die jedoch abstürzte. Erbaut und kommandiert wurden beide von einem Italiener, der Anfang der 1930er in die Sowjetunion übersiedelte, um dort Luftschiffe zu bauen: Umberto Nobile.

Er galt als Meister der schon deutlich größeren »Halbstarren Luftschiffe« (alternativ: »Kiel-Luftschiffe«). Bei denen wurde, vereinfacht gesagt, ein fester Rahmen zwischen Ballon und Gondel eingezogen. An diesem unten liegenden Rahmen (»Kiel«) konnten Steuerruder und Propeller aerodynamisch günstig angebracht werden.

Der geheimnisvolle Stern

Was wäre, hätten Tim und Struppi viel später, im Herbst 1941, in »Der geheimnisvolle Stern« das Nordpolarmeer mit einem solchen, etwas über 100 m langen halbstarren Luftschiff überbrückt?

Von Nebelschleiern umfangen zieht das Schiff  mit Tim und Struppi an Bord über die eisigen Schollen und Berge des Nordpolarmeeres. Der rhythmische Herzschlag der Motoren begleitet die Expedition. Die Schönheit in Weiß lässt selbst die erfahrensten Wissenschaftler an Bord ehrfürchtig erschauern.

Eine Vision voller Dynamik und Abenteuer! Doch hätten wir Haddock vermisst, der auf den sieben Meeren zu Hause ist und nicht in der Luft.
Wäre aber die Konkurrenz damit aufgestiegen? Sie hätte mit Hilfe von 3 Motoren auf etwa 115 km/h beschleunigt das Ziel erreicht und unsere Helden weit hinter sich gelassen!


Zum Nordpol: In den 1920ern ein schwieriges Unterfangen, das tragisch enden konnte.
Heute kommt der deutsche Eisbrecher POLARSTERN dort bei Tauwetter mit einem Drittel seiner Maschinenleistung an!
Ein Anzeichen mehr, aber immer noch zuwenig um uns wachzurütteln? Siehe ARD Mediathek: „Expedition Arktis 2“


In den 1930ern arbeitete Nobile in einer Werft nahe Moskau – sicher ein faszinierender Ort für den Reporter. Insbesondere, da der Ingenieur zunächst einmal Material beschaffen musste. In seinen wenigen Jahren im Land baute er Passagier-Luftschiffe, die bis 1940 genutzt wurden.

Mashup: Figur und Luftschiff Norge

Als Beispiel sei die OSOAWIACHIM (Allunionsgesellschaft zur Unterstützung der Luftfahrt und der chemischen Verteidigung) genannt, die sich am 5. November 1934 in die Lüfte erhob. Nobile blieb seinen erfolgreichen Entwürfen treu, und so war auch dieses Schiff wie NORGE oder ITALIA knapp über 100 m lang.
In der Folge stellte die Flugmaschine einen Dauerfahrtrekord für Luftschiffe auf. Im Februar 1938 stürzte sie bei einer Rettungsmission für Arktisforscher ab.

Figurine Sowjetflugzeug Nr 29529In den Weiten Sibiriens entdeckte Tim ein Geheimlager und ein Flugzeug, das ihn aus dem Eis eilig zurück nach Westen trug, bis zu einem der Flughäfen Berlins. Diese Plätze im Sog der rasenden Propeller waren Treffpunkt von Reichen und Schönen oder einfachen Familien, die ihr Picknick am Rande des Grüns veranstalteten. Die Piloten wurden mit Schädelweh-Garantie gefeiert.

War es das Tempelhofer Feld im Herzen der Millionenstadt, oder Staaken am westlichen Rand? Staaken war 1919 Ziel der ersten regelmäßigen Luftschiff-Linie mit Startpunkt in Friedrichshafen am Bodensee. Drei Mal die Woche ging es mit dem Zeppelin hin und anderntags zurück.

Mashup: Tintin Flugzeug-Sets, Zeppelin, Tempelhof 1920er

Zeppelinträume 1 Cover VorderseiteZeppeline waren sogenannte »Starr-Luftschiffe«, die aus einem Aluminiumgerüst bestanden. Das brachte enorme Stabilität und mit Tuch verkleidet und Gaszellen im Inneren war durch diese Bauweise ein Ozeanflug realistisch. Genau das, was einem Globetrotter wie Tim Bauchkribbeln hätte bereiten können.

1929 schickte sich der im Vorjahr erbaute GRAF ZEPPELIN, mit einer Länge von 236,6 m und Kabinen für 24 Fluggäste an, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h eine gefeierte Weltumrundung zu unternehmen. Zig Reporter flogen mit – und eine Reporterin, samt ihrer Katze. Aus Rücksicht auf Struppi konnte Tim da unmöglich an Bord 😉

Figur Moulinsart Nr. 42179Die Widersacher des Reporters gaben nicht auf, doch er entkam ihnen erneut. Noch einmal sprang Tim ins Auto und crashte damit in einen Zug, der ihn zurück nach Hause brachte. Das Ende vom Anfang zahlreicher Abenteuer.
Und die erste, von vielen verpassten Gelegenheiten, mit einem Luftschiff davonzuschweben. Bald mehr davon …